Schöpfung
nach Joseph Haydn
unter Verwendung von Szenen aus „Die Ermüdeten“ von Bernhard Studlar und Motiven von Stanisław Lem
Ein Hybrid aus Musik- und Sprechtheater, gemeinsam mit Opernsolisten, Musikern und Schauspielern! Gott schöpft Himmel, Erde, Tageszeiten, Pflanzen, Tiere und: den Menschen, als „Mann und König der Natur“. Spätestens seit Beginn des digitalen Zeitalters bekommt dieser Satz aus dem Haydn-Libretto eine neue, wortwörtliche Bedeutung. Denn der rasante technologische Fortschritt hat den Menschen zum König einer neuen „Natur“ aus Algorithmen werden lassen: Die Schöpfung eines „neuen Menschen“ rückt in greifbare Nähe. Bewegungen wie der Transhumanismus arbeiten daran, die Grenzen des menschlichen Körpers zu erweitern und dessen Funktionen zu optimieren. Einige träumen sogar davon, das menschliche Bewusstsein vollständig in digitale Speicher zu laden und so das Ich von der Vergänglichkeit des Körpers zu befreien. Parallel dazu schreitet die Entwicklung Künstlicher Intelligenz voran: Was jetzt noch als technische Spielerei erscheint, könnte morgen schon dem Menschen zum Verwechseln ähnlich sein. Längst ist ein lukrativer Wirtschaftszweig entstanden, der die Science-Fiction- Szenarien des 20. Jahrhunderts merkwürdig vertraut erscheinen lässt. Wird der biologische Mensch zum Auslaufmodell?
Die Regisseurin Claudia Bauer nimmt Joseph Haydns Oratorium Die Schöpfung von 1798 als Folie für Gegenwart und Zukunft. Sie schafft einen philosophischen und bildgewaltigen Abend, der Potentiale und Gefahren einer digitalen Schöpfung beleuchtet – und eine der brennendsten Fragen nach der Zukunft der Menschheit auf die Bühne des Schauspielhauses bringt: Wenn der Mensch zum Schöpfer wird, wer sind dann in Zukunft Adam und Eva?
Besetzung
- Mit: Ekkehard Freye, Björn Gabriel, Frank Genser, Marlena Keil, Bettina Lieder, Uwe Rohbeck
- Sopran: Maria Helgath
- Tenor: Ulrich Cordes
- Bass: Robin Grunwald
- Piano: Petra Riesenweber
- Regie: Claudia Bauer
- Dramaturgie: Dirk Baumann
- Bühne: Andreas Auerbach
- Kostüme: Patricia Talacko
- Musikalische Leitung: T.D. Finck von Finckenstein
- Regiemitarbeit: Jan Friedrich
- Licht: Stefan Gimbel
- Video: Tobias Hoeft
- Ton: Jörn Michutta, Andreas Sülberg
- Engineering: Lucas Pleß
- Video-Operator: Aline Wyrwich
- Regieassistenz: Bjarne Gedrath
- Bühnenbildassistenz: Christiane Thomas
- Kostümassistenz: Ellena Bruchhäuser
- Musikalische Assistenz: Pablo Lawall
- Dramaturgiehospitanz: Philip Schimchen
- Bühnenbildhospitanz: Anna Maria Schedler
- Inspizienz: Tilla Wienand
- Soufflage: Ruth Ziegler
Pressestimmen
„Claudia Bauer paart am Schauspielhaus ein Oratorium von Haydn mit Reflexionen über Künstliche Intelligenz: Steuert nicht Gott, sondern längst der Mensch die Schöpfung? Sechs Darsteller verkörpern Menschen, Maschinen und deren Hybride. Wohin entwickelt sich der Homo sapiens, wohin der Robo sapiens? Die Bühne (Andreas Auerbach) ist ein Schmuckstück, im mittig kreisenden Dreh-Element paradieren die Innenräume vorbei, das goldene Zimmer, eine Art Tanzsaal, eine Dusche. Haydns Musik ist durch exzellente Sänger von der Oper präsent. Alles in allem: geistig fordernd, aber kurzweilig und anregend. Viel Applaus.“
Ruhr Nachrichten
„Die Wesen sprechen literarische Texte, das Märchen vom traurigen Kind aus Georg Büchners Woyzeck, eine kurze Szene aus Goethes Faust. Sie arbeiten sich an die Gefühle der Menschen heran, kopieren und multiplizieren sie und tragen dabei Masken. (…) Es ist viel los an diesen 100minütgen Theaterabend (…) Claudia Bauers Schöpfung liefert auf der großen Bühne spektakuläre Bilder.“
DLF Fazit
„Haydns Oratorium und die Sprechtexte, die Claudia Bauer und Dirk Baumann aus unterschiedlichsten Materialien collagiert haben, verhalten sich wie zwei parallele Linien, und die können sich zumindest in der euklidischen Geometrie niemals treffen. Die eine, T.D. Finck von Finckensteins Bearbeitung von Haydns Musik, zitiert noch einmal den großen Schöpfungsmythos der Genesis. Allerdings verschiebt sich durch die konsequente musikalische Reduktion und durch elektronische Verfremdungen die Wahrnehmung. Maria Helgath, Ulrich Cordes und Robin Grunwald, die drei stimmlich ungeheuer eindrucksvollen Opernsolisten, lobpreisen in Rezitativen, Arien und Chorpassagen zwar den Herren. Die andere Linie zeichnet eine zweite Schöpfungsgeschichte nach. Während sich die Bühne dreht, durchwandert das sechsköpfige Schauspielensemble die Räume, die von oben durch das Auge einer Kamera betrachtet eine Goldene Spirale bilden, und spielt dabei Szenen einer Evolution durch, die schließlich in der Erschaffung einer dem Menschen überlegenen Künstlichen Intelligenz gipfelt. Mal verschwinden die Darstellerinnen und Darsteller hinter Masken, mal werden ihre Stimmen elektronisch bis zur Unkenntlichkeit verfremdet, mal bilden sie einen Chor, mal löst sich jemand aus der Menge heraus und bricht so das Geschehen auf.“
nachtkritik.de
„Es sind wahrhaft große Fragen, die am Dortmunder Theater gewälzt werden. Es geht ums Menschsein im Ansturm neuer Technologien. Diese mit starken Bildern aufwartende Inszenierung hat ihren Höhepunkt. Ganz am Schluss trifft in einer hinreißenden Szene ein menschlicher Adam (Frank Genser) auf sein Geschöpf, eine nicht menschliche Eva (Bettina Lieder).“
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
„Der Abend lässt vielem Raum, dem unschuldigen Optimismus Haydns wie den bösen Ahnungen Lems, und das erzeugt heilsame Verunsicherung. Großer Beifall.“
Westfälischer Anzeiger