Oper von György Kurtág • Libretto vom Komponisten nach Samuel Becketts Drama • In französischer Sprache mit deutschen Übertiteln
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Ausgezeichnet mit dem Theaterpreis DER FAUST ▶
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Es scheint nur noch vier Menschen auf der Welt zu geben: den blinden und gelähmten Hamm, seinen Diener Clov, der nicht mehr sitzen kann, sowie Hamms Eltern Nagg und Nell, die ihre Beine verloren haben. Die letzten Überlebenden können sich jedoch gegenseitig so gar nicht ausstehen. Und dennoch hat sie das Schicksal untrennbar miteinander verbunden, da der eine ohne den anderen nicht existieren kann. Vier Menschen in einer Grenzsituation zwischen Leben und Tod.
György Kurtág (*1926) gehört zu den international erfolgreichsten zeitgenössischen Komponisten, aber erst im hohen Alter schrieb er mit Fin de Partie ein Werk für die Opernbühne. Basierend auf Samuel Becketts einaktigem Drama schuf er in siebenjähriger Arbeit ein farbenreiches und fein gewobenes Klanguniversum. Die Uraufführung an der Mailänder Scala 2018 war ein international rezipiertes Großereignis. Mit seltener Eindeutigkeit wurde Fin de Partie zur „Uraufführung des Jahres“ der Spielzeit 2018/19 gewählt.
Ingo Kerkhof, der an der Oper Dortmund bereits die Deutsche Erstaufführung Quartett und Lohengrin inszenierte, ist ein Spezialist des psychologischen Dramas. Einfühlsam und mit einem Auge fürs Detail lotet er dabei die Vielschichtigkeit der Charaktere aus. In einer speziellen Raumkonzeption sitzt das Publikum dabei auf der Opernbühne. Ingo Kerkhofs Neuinszenierung von Fin de Partie ist die weltweit erste szenische Neuinterpretation dieser Oper seit der Uraufführungsinszenierung an der Mailänder Scala 2018 durch Pierre Audi.
Mit Frode Olsen und Leonardo Cortellazzi werden zudem zwei Mitwirkende der Mailänder Uraufführung Teil der szenischen deutschen Erstaufführung an der Oper Dortmund sein.
Gefördert vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen in Zusammenarbeit mit dem NRW KULTURsekretariat.
Gefördert im Rahmen von Fonds Neues Musiktheater 2023.
Hamm
Frode Olsen
Clov
Ks. Morgan Moody
Nell
Ruth Katharina Peeck
Nagg
Leonardo Cortellazzi
Statisterie Theater Dortmund
Dortmunder Philharmoniker
Musikalische Leitung
Johannes Kalitzke
Regie
Ingo Kerkhof
Bühne und Kostüme
Anne Neuser
Licht
Kevin Schröter
Dramaturgie
Dr. Daniel C. Schindler
Studienleitung
Thomas Hannig
Produktionsleitung
Fabian Schäfer
Regieassistenz
Clara Schamp
Musikalische Assistenz
Karsten Scholz
Bühnenbildassistenz
Lara Manon Elena König,
Dina Nur
Kostümassistenz
Nina Albrecht-Paffendorf
Inspizienz
Ulas Nagler,
Alexander Becker
Statisterieleitung
Mark Bednarz
„Regisseur Ingo Kerkhof, Ausstatterin Anne Neuser und Dirigent Johannes Kalitzke haben vor allen Dingen eine kluge und unheimlich gut funktionierende Grundeinrichtung gefunden. Das Publikum ist mit auf der Opernbühne, die sich in ein (großes) Kammertheater verwandelt, unmittelbar vor der Zuschauertribüne beginnt ein Kunstrasen als Spielfläche für das singende Quartett – das uns aber nicht zur Kenntnis nimmt in seiner trübsinnigen, unterhaltsamen ewigen Endzeitstimmung. So nah kommt man einem Ensemble in der Oper praktisch nie.
Das Raffinierte am Umzug in den Bühnenraum liegt diesmal jedoch vor allem darin, dass das Orchester hinter der Spielfläche ebenfalls problemlos unterzubringen war: eine Kammertheatersituation mit instrumentaler Großbesetzung. Die Kurtág für eine luzide, feinziselierte, in Dortmund funkelnd klar herausgearbeitete Klangsprache nutzt. (…)
Frode Olsen als Hamm und Leonardo Cortellazzi als Nagg waren schon in Mailand dabei. Der norwegische Bass dominiert auch sitzend mit einiger Beweglichkeit, Vehemenz und den längsten Monologen das musikalische Geschehen. Der italienische Tenor strahlt von der Tonne aus stimmlich und mimisch eine Menge Komik aus, mit Peeck als erschöpfter, milde und flach dahersingender Nell bildet er ein geradezu glückliches Paar. Kurtágs Musik eröffnet die Lebendigkeit und die Abgründe des ‚Endspiels‘ gleichermaßen. Am exaltiertesten darf Clov monologisieren, die mäandernden Ausbrüchen gestaltet der Bassbariton Morgan Moody astrein, dazu ist er von kalibanesker Tücke und Harmlosigkeit. (…)
Die perfekte Einrichtung macht diesen wichtigen Abend freilich zu einem exklusiven Ereignis, alle Vorstellungen vorläufig ausverkauft. Drei davon sind im Mai, wenn die Oper Dortmund zu den Wagner-Kosmos-Tagen V im Mai einlädt. Das Festival, diesmal mit der ‚Rheingold‘-Premiere des Konwitschny-Rings und weiteren Vorstellungen von Augusta Holmès’ ‚La montagne noire‘, ist ein geniales Germeshausen-Projekt – schon alleine, weil es Jahr um Jahr erstaunlichste Musiktheaterproduktionen befördert.“
„In der Bühnenöffnung eine Gaze und dahinter ist das Orchester, dirigiert von Johannes Kalitzke, das dadurch eine große Präsenz auch erfährt und wir sind ungeheuer nah dran an den vier Sängern, also drei Sänger, eine Sängerin, wie man das selbst im Schauspiel selten hat und in der Oper ja eigentlich nie, wo man sonst den Graben noch dazwischen hat, das Orchester, das Kurtág fordert ist sehr groß, spielt aber in der Regel relativ leise und kriegt aber dadurch eine Direktheit, die ganz unerwartet war für mich. (…)
Ingo Kerkhoff, der bringt dann diese Komik rein, der rettet die Komik des Schauspiels auch in die Oper. Und das ist ihm sehr hoch anzurechnen, dass er das geschafft hat, dieses Grimmige und dieses manchmal Groteske, aber eben wirklich Witzige in diese Oper gebracht zu haben. (…)
Das Stück war in der Mailänder Scala schlicht im falschen Haus. Die Mailänder Scala hat 2000 Plätze und man dachte, oh, da vorne, da passiert irgendwas und die machen chirp und pling und zong und es kommt aber kaum etwas von der Dramatik wirklich im Saal an. Ich habe noch nie gesehen, dass so viele Leute eine Uraufführung verlassen haben während des Stücks. Heute Abend war das genaue Gegenteil. Das Stück war kaum wiederzuerkennen für mich. Die Musik, ich habe sie wirklich komplett anders in Erinnerung gehabt als heute Abend. Und das ist wieder mal eine Erinnerung daran, wenn wir in eine schlechte, sagen wir mal, ‚Traviata‘-Aufführung gehen, dann sagen wir, das ist eine schlechte Aufführung. Wenn wir in eine, ich sag mal, verunglückte Uraufführung gehen, dann ist man doch geneigt zu sagen, liegt es am Stück. In dem Fall ist in Dortmund eben gelungen, zu beweisen, wirklich, dass es nicht am Stück lag. Das Stück ist toll, es war auch ein riesiger Erfolg heute Abend.“
„Bei der Uraufführung 2018 an der Mailänder Scala allenfalls ein Achtungserfolg, zeigt das Theater Dortmund, wie sich unter den richtigen Bedingungen aus György Kurtágs ‚Fin de partie‘ das Beste herausholen lässt. Regisseur Ingo Kerkhof bringt den bissigen Witz Samuel Becketts zurück, den György Kurtág beim Komponieren seiner einzigen Oper ‚Fin de partie‘ (Endspiel) vergessen hat.(…)
Vor allem Morgan Moody gelingt es, die immer wieder aufblitzende Hoffnung des gedemütigten Clov auf anrührende Weise sichtbar zu machen. Doch der gnadenlose Hamm wird ihn immer wieder mit gellendem Pfiff aus der Trillerpfeife in die Realität dieser postapokalyptischen Welt zurückholen. Frode Olsen hat diese Rolle bereits in der Uraufführungsinszenierung von Pierre Audi verkörpert und seine Darstellungen in vielen Aufführungen verfeinert. Seine charaktervolle Stimme kennt zahllose Abstufungen von Erbarmungslosigkeit, von Lust an der Qual anderer und eigener Frustration. (…)
Hinter der Gaze gut sichtbar, leitet der Dirigent Johannes Kalitzke das Dortmunder Orchester konzentriert und uneitel. Die feinen Klangverästelungen des Tüftlers Kurtág sind bei ihm in den besten Händen, und die Musiker folgen ihm mit größter Präzision. Das Orchester ist ein weiterer Mitspieler, denn sowohl die zarten Farbmischungen als auch die wenigen lauten Akzente kommentieren nicht nur, sondern treiben auch die Dialoge an. (…)
Die Eltern in den Mülltonnen verkörpern Ruth Katharina Peeck und Leonardo Cortellazzi als humoristische Glanzstücke. Zwar können auch sie dem hoffnungslosen Schicksal nicht entgehen, doch ignorieren sie es nach Kräften. Auch sie singen ihre Partien, als handle es sich um die schönsten Melodien des italienischen Belcanto und tragen so mit dazu bei, dass die Spannung über den gesamten Abend gehalten wird.
Über 16 Jahre hat György Kurtág an seiner einzigen Oper gearbeitet, die er nie vollendet hat. Dennoch ist sie kein Fragment wie Bergs Lulu, auch wenn der Komponist nur gute 50 Prozent des Schauspieltextes in Musik gesetzt hat. Bei der unglücklichen Uraufführung, zu der Kurtág von Alexander Pereira überredet wurde, der den Kompositionsauftrag noch für das viel kleinere Opernhaus in Zürich vergeben hatte, wirkte die Oper noch zu schmalformatig, zu unvollständig, zu ziellos, um über einen Achtungserfolg hinauszukommen. Weil der Dortmunder Intendant Heribert Germeshausen dennoch den Stärken der Partitur vertraute und an seinem Haus die richtigen Bedingungen schuf, um das riesig besetzte Kammerspiel auf die Bühne zu bringen, kann das Urteil über die Oper nun revidiert werden.“
„Die Deutsche Erstaufführung berührt nun noch tiefer als die Uraufführung an der Mailänder Scala: Dank der Unmittelbarkeit der Darstellung und der überwältigenden musikalischen Lesart fesselt dieser Abend über fein gefügte pausenlose zwei Stunden.
György Kurtág, (…) kittet in seiner späten ersten Oper, die anno 2018 an der Mailänder Scala ihre Uraufführung erlebte, einen erstaunlichen Widerspruch. Er schreibt in Anlehnung an Samuel Becketts Drama ein musiktheatralisches Kammerspiel für gerade mal vier Sänger und setzt dieser Intimität dann ein Riesenorchester von Richard Strauss’schen Ausmaßen entgegen. Während in Mailand der Gegensatz als solcher belassen wurde, wollten Dortmunds Opernintendant Heribert Germeshausen und Ingo Kerkhof als der Regisseur seiner Wahl eine echte Lösung für die unbestrittene Herausforderung bieten: Die Zweitinszenierung sollte einen veritablen Mehrwert in der Aufführungsgeschichte des Werks bieten. Und genau dies liefert die Deutsche Erstaufführung nun auch: Sie lebt ganz von der Unmittelbarkeit und Nähe des Kammerspiels: Denn das Publikum spürt in der verblüffend einfachen Bühnenlösung gleichsam den Atem der Darsteller. (…)
Welch‘ eine Ökonomie der musikalischen Mittel, welch‘ konzises Aushören der orchestralen Couleurs! Und welch‘ eine formidable Umsetzung all dieser Feinheiten durch die Dortmunder Philharmoniker, die unter Gastdirigent Johannes Kalitzke eben nicht einfach nur penibel und hart erarbeitet haben, was da so alles an Unerhörtem in der Partitur steht. Das Orchester spielt bereits in der Premiere mit einer derartigen musikantischen Motivation und lustvollen Virtuosität, dass in den zwei spannungsprallen Stunden nie die gebannte Aufmerksamkeit des lauschenden Publikums nachlässt. Der ganz eigene Kurtág-Ton, in dem man mitunter dennoch die listige Sublimierung von Alban Bergs ‚Wozzeck‘ und Béla Bartóks ‚Herzog Blaubarts Burg‘ zu erkennen glaubt, gleicht einer Entdeckung, die dieser Oper ein Weiterleben sichern wird. So gut, so berührend kann Neue Musik sein!
Für die beiden größten Partien konnte die Oper Dortmund die Sänger der Uraufführungsproduktion gewinnen, denen der Komponist ihre Partien auf den Leib und in die Stimme geschrieben hatte. Frode Olsen, der große Bass aus dem hohen Norden, der bei Wagner so sehr eine sichere Bank ist wie in der Neuen Musik, gibt dem Hamm die stoische Würde, ja Grandezza des an den Rollstuhl Gefesselten, der in seinen Monologen an die in Ruhe erregten Erzählungen des Gurnemanz im ‚Parsifal‘ erinnert. Ingo Kerkhof kann in seiner feinfühligen Personenregie auf das Charisma des Sängerdarstellers vertrauen und erlaubt sich dennoch eine entscheidende Neuerung zur Inszenierung der Uraufführung: Er stellt die das Stück prägenden Monologe in einen dialogischen Kontext, schärft die Interaktion zwischen Hamm und seinem clownesken Diener Clov, den Bassbariton Morgan Moody nie überzogen zwischen Komiker und Tragöde auspendelt.“
„Wer die szenisch eher langweilige Uraufführungs-Regie in Mailand gesehen hat, wird erstaunt sein, was Regisseur Ingo Kerkhof für Dortmund mit Kurtágs Beckett-Oper entfesselt. Das Publikum durchlebt das ‚Endspiel‘, so der ins Deutsche übersetzte Titel, der vier versehrten Alten in Schicksalsgemeinschaft hautnah auf der Bühne sitzend. Die Dortmunder Philharmoniker bringen Kurtágs detail- und farbversessene, auf kammermusikalisch in neuen Instrumentenkombinationen setzende Partitur wie sprechend zum Klingen. Sodass unter der Leitung von Johannes Kalitzke ein Gesamtsprachklang entsteht, der der Genialität von Kurtágs Opus magnum in allem gerecht wird! (…)
In Dortmund überzeugen sowohl musikalische Qualität als auch szenische Umsetzung! Die Raffinessen, mit denen Kurtág Becketts absurd-hintersinnige Texte musikalisch emotionalisiert hat, darf das Dortmunder Publikum sogar hautnah spüren. (…)
Auf dem hochgefahrenen Orchestergraben zwischen Bühne und eigentlichem Zuschauerraum sind die groß besetzten Dortmunder Philharmoniker platziert, nur durch einen schwarzen Gaze-Vorhang von der Bühne getrennt. Wie Johannes Kalitzke mit dem Rücken zur Bühnenfläche, Sänger also hinter sich, und dem Orchestersound direkt am Ohr eine so perfekte Balance mit den Sängern hinbekommt, bleibt Mirakel. (…)
Mit welcher Inbrunst die Solisten jeweils ihre Figur stimmlich verlebendigen und sie spielen! (…)
Leonardo Cortellazi, wie Olsen nicht nur bei der Uraufführung dabei, sondern auch bei der konzertanten Aufführung in der Elphilharmonie und der Kölner Philharmonie im Oktober letzten Jahres, zeigt sogar Empathie. Mit aufgerissenen Augen fokussiert er das Publikum und glücklich seine Nell, wenn sie denn aus der Mülltonne neben ihm auftaucht…
Ruth Katharina Peeck blickt wie eine verklärte Märtyrerin in den Himmel, träumt von schönen Tagen, singt klar, schön, lupenrein, bis Nell stirbt, und Nagg einen markerschütternden Schrei ausstößt.
Die Seele dieser Schicksalsgemeinschaft ist Clov alias Ks Morgan Moody aus dem Dortmunder Ensemble. Wie er der Figur debile Durchtriebenheit gibt, dennoch als Höriger immer wieder in die Ecke getrieben wird, zwischendurch seinen Schlabberrollkragenpulli vorne in die schlechtsitzende Gabardinhose stopft, ist unnachahmlich. Als Schauspieler – ohne zu singen – würde er auch noch in einer Aufführung erfolgreich durchgehen.
Die Regie von Kerkhof verlässt sich auf die Musik. Kerkhof hat genau hingehört, und er lässt mit und auf den Gesten der Musik agieren und miteinander reagieren. Faszinierend, wie er immer wieder Spannung und Fallhöhe schafft, ohne dem lähmenden Stillstand im Stück zuwider zu laufen. Diese deutsche Erstaufführung ist in jeder Hinsicht gelungen.“
„‘Fin de Partie‘ ist ein Meisterwerk, ein dichtes Kammerspiel, das Ingo Kerkhof in Dortmund sehr konzentriert inszeniert und das die Philharmoniker unter der Leitung von Neue-Musik-Spezialist Johannes Kalitzke, zwei Solisten der Mailänder Scala, die schon die Uraufführung gesungen haben, sowie Kammersänger Morgan Moody und Mezzosopranistin Ruth Katharina Peeck meisterlich präsentieren. (…)
Mit urkomischer Mimik und einem sehr fein karikierenden Tenor füllt der Italiener Cortellazzi die Rolle des Nagg. Der Mailänder Starbassist Frode Olsen trägt als Hamm im Rollstuhl die Oper. Er zieht die Fäden, er leidet und schikaniert, er füllt den Sprechgesang mit Tönen, die noch lang gezogener sind als sein Leid in der Tristesse. Morgan Moody ist als Hamms Diener Clov der agilere, eilt mit nachgezogenem rechten Bein über die Bühne. Und Moody zeigt auch die Neugier und Freude, die sich Clov als einziger bewahrt hat. Kurtág komponiert lautmalerisch, führt die Gesangsstimmen ruhig und das Orchester in Riesenbesetzung kammermusikalisch im Mezzoforte – so wie sich alles in dieser Geschichte im Mezzoforte abspielt. Das macht das Kammerspiel so nahbar. (…)
All das zeigt Kerkhof eindrucksvoll und eindringlich und auch, wie absurd diese Situation ist und dass alle Figuren eigentlich Museumsstücke sind, die unter Tüchern verhüllt eingelagert werden. Ein Kind (Statistin Lotta Hammwöhner) holt die vier zu Beginn unter den Tüchern hervor und verhüllt sie nach zwei pausenlosen, intensiven, dichten Stunden wieder. Schön für jeden, der eine Karte hat, denn alle vier Folgevorstellungen sind ausverkauft. Es gibt eine Warteliste.“
„An der Oper Dortmund hat man die Zweit-Inszenierung von ‚Fin de Partie (Endspiel)‘ nun auf die Hinterbühne verlegt (Bühne und Kostüme: Anne Neuser), in einen intimen Schutzraum (…), der dem Endzeitdrama so gerecht wird wie der kammermusikalischen Komposition dieser ‚Szenen und Monologe‘. Denn obwohl Kurtág ein riesig besetztes Orchester einfordert – dominiert von diversem Schlagwerk, tiefen Holzbläsern und einer Celesta – ist das Klangbild seiner ersten Oper durchweg filigran, wechseln Motive durch kleinste Instrumentalgruppen und verschmelzen mit den Gesangsparts. Und weil die Dortmunder Philharmoniker unter dem präzise der Partitur dienenden Dirigat von Johannes Kalitzke auf der Bühne hinter einer Gaze postiert sind, kann man dieses Arrangement wunderbar verfolgen. (…)
Am deutlichsten gelingt Kammersänger Morgan Moody als Diener Clov die absurde Überzeichnung seiner Figur, als Einziger, der laufen kann. Am Rollkragen seines schwarzen Pullovers knabbernd, schreitet der von allen Gedemütigte fast autistisch die Bühne ab, mit steifem Bein von links nach rechts und zurück wie ein depriviertes Kind. Großartig! (…)
Schon als Dortmunds jetziger Opernintendant Heribert Germeshausen noch das Musiktheater in Heidelberg leitete, entstand sein Plan, Kurtágs ‚Fin de Partie‘ für das dortige Zweitaufführungs-Festival nach Deutschland zu holen. Nach jahrelangen Verschiebungen und eine Pandemie später hat die Oper Dortmund das Projekt nun vollendet.“
„Regisseur Ingo Kerkhof verwandelt die große Oper in ein packendes Kammermusiktheater. (…)
Es passiert nichts. Und doch kommt keine Langeweile auf. Im Gegenteil. Spür- und hörbar sind die kleinen dramatischen Entwicklungen und Variationen vor allem in der farbenfreudigen, faszinierenden Musik Kurtágs und ihre differenzierte, ausdrucksstarke Interpretation. Ein hervorragend besetztes Solistenensemble - Frode Olsen als Hamm, Leonardo Cortellazzi als Nagg, Ks. Morgan Moody als Clov und Ruth Katharina Peeck als Nell tut das Seine, um diesen vibrierenden Stillstand erfahrbar zu machen.
Wie Frode Olsen den Spannungsbogen aus Emotionalität und Melodie der Sprache nicht abreißen lässt, wie die oft solistisch spielenden Orchestermusiker diese mal arios mal rezitativisch aufgreifen, motivisch entwickeln und in wechselnden Farbkombinationen aufleben lassen, unterstreicht in wohltuender Weise die Theatralität des Geschehens.“
„Regisseur Ingo Kerkhof, studierter Philosoph und Literaturwissenschaftler, setzt ein konzentriertes Kammerspiel in Szene. Respektvoll lässt er Musik und Text den Vortritt, arbeitet mit Geduld heraus, wie und warum Becketts Figuren in auswegloser Situation voneinander abhängig sind. (…)
Am Pult der Dortmunder Philharmoniker zeigt Johannes Kalitzke mit hoher Kompetenz, welch Reichtum in Kurtágs lakonischer Tonsprache steckt. Wie sie den Text aufgreift und verstärkt – oft kammermusikalisch, mit gestischen Qualitäten. Zwei Sänger, die bereits an der Uraufführung mitwirkten, sind das starke Rückgrat: Frode Olsen als Hamm ist ein knorriger Alter, der Clov missgelaunt nach seiner Trillerpfeife tanzen lässt. Leonardo Cortellazzi (Nagg) singt ein herrlich textverständliches Französisch. Sein heller Tenor klingt ungemein natürlich, nachgerade unschuldig.
An ihrer Seite trumpft Dortmunds Kammersänger Morgan Moody auf, der den Diener Clov spielt wie einen untoten Leporello. Ein Bein steif nachziehend, mit Verzweiflungsgrinsen im Gesicht, lässt er die Partie zwischen galligen und ratlosen Tönen schwanken. Ruth Katharina Peeck formt die etwas kleinere Rolle der Nell mit den warmen Farben ihres Mezzosoprans, bevor sie in die Tiefe ihrer Tonne versinkt. Erschreckend, wie genau der Tonfall dieser Ermatteten zur Stimmungslage unserer Tage passt.“
„Also wenn wir Frode Olsen als Hamm hören, das ist der von den beiden, der im Rollstuhl sitzt, dann ist der Anfang schon so eine der größten musikalischen Sensationen des Abends. (..)
Aber was der Regisseur Ingo Kerkhof da mit dem großartigen Ensemble rausholt, das ist schon ausgezeichnet. Ingo Kerkhof, der Regisseur, hat uns, das Publikum, auf die Bühne gesetzt und wir gucken von der anderen Seite. So haben wir die direkte Nähe zu den Sängerinnen und Sängern und das Orchester kann dann trotzdem im hochgefahrenen Orchestergraben in voller Größe spielen. Das ist wirklich eine super Idee und für diese Oper genau passend.“