Akademie, Theater

DiG IT ALL - Gekommen um zu bleiben

Die Jahreskonferenz der Dramaturgischen Gesellschaft zu Performing Arts und Digitalität auf Mozilla Hubs hat am Theater Dortmund stattgefunden

Bildschirmfoto (c) Ali Ghandtschi

Wir erleben einen Paradigmenwechsel an den Theatern im Umgang mit der digitalen Transformation.

Spätestens mit der zweiten Welle der Pandemie haben die Theater auf breiter Basis angefangen, neu über nachhaltige digitale Infrastrukturen nachzudenken. Das ist ein Ergebnis der Jahreskonferenz 2021, DiG IT ALL #1 LET`S MEET, die die Dramaturgische Gesellschaft in Kooperation mit dem Theater Dortmund und der Akademie für Theater und Digitalität am 23. und 24. Januar veranstaltete. Die bereits vor zwei Jahren vereinbarte Zusammenarbeit der DG mit der Akademie für Theater und Digitalität konnte zeigen, dass die Erschließung des digitalen Raums durch Theaterschaffende kein vorübergehendes Phänomen bleiben wird, das nur den Verlust der analogen Spielmöglichkeiten ausgleicht – die digitale Bühne ist da und wird nicht mehr verschwinden.

Die Jahreskonferenz der DG fand erstmals digital im virtuellen Raum statt und experimentierte mit dem 3D-Social-Media-Programm „Mozilla Hubs” an neuen Möglichkeiten der Inszenierung von Begegnung, Smalltalk und Austausch.

Denn die Frage ist nicht so sehr, wie Theater ins Netz gebracht werden kann, sondern: Wie lassen sich die Möglichkeiten und die Mittel, die die performativen Künste bieten, für digitale Kunst denken? Mit den in Mozilla Hubs nachgebauten virtuellen Arbeitsräumen der Akademie in Dortmund schuf das Künstlerduo “minuseins” (Nils Corte & Roman Senkl) Orte für eine echte und neuartige Kopräsenz im virtuellen Raum, mit Erfahrungsmöglichkeiten der Intimität ebenso wie denen der öffentlichen Debatte.

Tag Eins der Konferenz am Samstag, 23. Januar stand im Zeichen der Begegnung, des Entdeckens sowie des interaktiven und niederschwelligen Zugangs zu digitaler Kunst:

Die aktuellen Fellows der Akademie für Theater und Digitalität – Lena Biresch, Lex Rütten, Jana Kerima Stolzer, Lukas Rehm, Nils Corte und Roman Senkl („minuseins“), Vesela Stanoeva, Marco Donnarumma und Andrea Familari - widmeten sich Fragen der Gemeinschaft und Kooperation, Fragen der Identität und körperlicher Kopräsenz im digitalen und realen Raum, aber auch den Fragen nach der Zukunft unseres Verhältnisses zur Technologie und dem, was die digitale Welt bewahren kann. Sie kreierten eigens für die Tagung virtuelle Präsentationsräume ihrer Projekte, die von bis zu 327 Teilnehmer*innen gleichzeitig besucht wurden.

So dokumentierten die Akademie-Fellows eine eindrucksvolle wie enorme Bandbreite an künstlerischen Ausdrucksformen, die mit den Mitteln des Theaters im virtuellen Raum entstehen können.

Die Keynotes der Wissenschaftlerinnen Judith Ackermann und Manuela Naveau am ersten Konferenztag sowie das interaktive Geschehen in den virtuellen nachgebauten Räumen der Akademie wurde durchgehend auf twitch.tv übertragen und von fast 300 Zuschauer*innen zusätzlich gesehen. Die DG verzeichnete damit auf ihrer ersten digitalen Konferenz einen Besucherrekord von über 500 Teilnehmer*innen und Besucher*innen, die insgesamt 11637 vkm (virtuelle Kilometer) im digitalen Raum zurückgelegt haben, während sie die weitläufigen und abwechslungsreichen Präsentationsräume der Fellows erkundeten. Wir freuen uns über das überwältigend positive Feedback und Lob der Konferenzteilnehmer*innen, die mit ihren selbst gestalteten Avataren die maßgeblich von Roman Senkl und Nils Corte programmierten Tagungsräume erkundeten. Dabei waren größere Gesprächsrunden ebenso möglich wie Tagungs-Smalltalk und intensiver inhaltlicher Austausch.

Denn die zentrale Frage war: Funktionieren Smalltalk und Zufallsbegegnung in 3D? Ja! Die Tagung hat auf innovative Weise Theatermacher*innen aus dem gesamten deutschsprachigen Raum mit den Mitteln der Digitalität versammelt, um Begegnung und Austausch zu ermöglichen - und war ein Vorgeschmack auf die nahe Zukunft, wenn mit weiterentwickelten personalisierten Avataren Konferenzen in VR-Formaten Alltag sein werden. Wir freuen uns, dass Mozilla Hubs die neuartige Nutzung ihres Tools in dieser Richtung als Tagungsformat ausführlich würdigt.

Der zweite Konferenztag am Sonntag, 24. Januar, bot mit insgesamt 14 Tischgesprächen mit Expert*innen zu Theater und Digitalität Raum für Reflektion und Wissenstransfer. Die rund 200 Diskutierenden trafen die Expert*innen der digitalen Gegenwart, die die digitalen Performing Arts im letzten halben Jahr entscheidend vorangebracht haben. Sie tauschten sich zu Fragen Digitaler Strategien, zu Mixed Reality, Digitalität als Ort der Versammlung, Digitale Arbeit, Kollaborationsformen, sozialen Interaktionen im digitalen Raum und Netz-Theater und Öffentlichkeit aus. Deutlich wurde auch hier, dass ein tiefgreifender Wandel der Infrastrukturen vor sich geht, der die digitale Bühne als neuen Erfahrungsraum entstehen lässt.

Dokumentiert wurde die Tagung nicht nur auf twitch.tv durch Kameramann Max Schweder, sondern auch von Fotograf Ali Ghandtschi, der in den virtuellen Räumen das Geschehen einfing und so der erste „Mozilla-Hubs“-Fotograf der Theatergeschichte ist.

Die Jahreskonferenz der DG findet erstmals in vier Teilen statt: DiG IT ALL #1 LET´S MEET war der Auftakt, im März bei DiG IT ALL #2 LET`S PLAY lassen wir uns in Kooperation mit dem Studiengang Spiel && Objekt der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ Berlin von den Narrativen der Gamer*innen inspirieren; und dann treffen wir uns im Juli vor Ort in Dortmund bei DiG IT ALL #3 LET`S PARTY zum leibhaftigen Austausch und Feiern. Und zum gemeinsamen Weiterdenken: Über das utopische Potential des digitalen Raums, über die Notwendigkeit einer digitalen Ethik, über Decolonizing the Internet, KI, und darüber, wie dieses digitale Jahr unsere Körper und deren Miteinander verändert hat. Zusätzlich ist geplant, Workshops anzubieten, die sich #4 mit Szenografie und Theatertechnik beschäftigen werden.