Schauspiel

Willkommen zur Afterhour der Geschichte

Premiere von Necati Öziris Machtverschiebung „Der Ring des Nibelungen“

Motiv zu „Der Ring des Nibelungen“ (c) Sali Fayssal / Zijah Jusufović

Der Ring des Nibelungen begeistert und polarisiert seit der Uraufführung 1876. Er ist eine Melange aus „Nibelungenlied“, Göttersagen der nordischen „Edda“ und griechischer Mythologie. Richard Wagner schrieb ein Viertel Jahrhundert lang an seiner Operntetralogie, die zusammen ohne Pause mehr als 15 Stunden dauert.

Im Schauspiel Dortmund ist Der Ring des Nibelungen ab Samstag, 20. Januar, in einer Überschreibung von Necati Öziri zu erleben.
Öziri hat sich mit Richard Wagners Kosmos, überwältigender Musik und Erzählung auseinandergesetzt und liefert uns die längst notwendige Neuordnung, indem er die Frage nach der deutschen Identität mit aufrüttelnder Dringlichkeit aus der Perspektive eines Gastarbeiterkindes stellt.

Dem Schauspieler Arda wird eine Rolle in Wagners Ring angeboten und er fragt sich: „Darf ich, bei dem zuhause kein Klavier rumstand, nicht mal ne Blockflöte, bei dem den ganzen Tag Super RTL lief, dem abends keine Mythen vorgelesen wurden, für den Wagner eine Tiefkühlpizza der gehobenen Preisklasse war …? Darf ich bei ‚dem Ring‘ überhaupt mitmachen?“

Er darf, und so taucht Arda in Wagners Welt aus Zwergen, Riesen, Göttern und Walküren ein. Neben der bekannten Geschichte um Alberich und Wotan, die um die Weltherrschaft ringen, rückt Öziri besonders die machtlosen Nebenfiguren ins Zentrum. Alberich, Brünnhilde, Fricka und die Kinder der Riesen Fafner und Fasolt machen sich auf den Weg nach Walhall, um Wotan zu stürzen. Brünnhilde will keine Walküre mehr sein und Fricka trennt sich von Wotan. Die Kinder der Riesen rechnen mit einer Gesellschaft ab, in der sich ihre Eltern als Gastarbeitende kaputt gearbeitet haben. Hier zeigt sich die Schärfe von Öziris Zugriff, indem er mühelos die mythischen, deutschen Riesen mit seiner eigenen Generation, den Kindern der Gastarbeitenden in Deutschland, verschmelzen lässt. Genau hier konfrontiert er uns mit der Frage nach dem deutschen „Wir“. 

Schauspielintendantin Julia Wissert inszeniert diese „Arien“ der machtlosen Figuren als intensives, audio-visuelles Ereignis. Zwischen den vibrierenden Bässen auf der Tanzfläche einer Aftershow-Party begegnen sich die Ausgebeuteten, die Hässlichen, die Einsamen und Verlassenen, die Töchter, für die kein Platz übrig ist. Richard Wagners Ring endet im Inferno und lässt die Frage nach der Qualität der neuen Ordnung unbeantwortet. Julia Wisserts Inszenierung hingegen lenkt den Blick auf die Möglichkeiten einer solidarischen und egalitären Gemeinschaft, jenseits von Macht und Gold. Am Ende ist Platz für etwas Neues. 
Die Bühne der Inszenierung hat Jana Wassong entworfen, das Kostümbild stammt von Nicola Gördes. Yotam Schlezinger hat Komposition und Sound Design übernommen, Jasco Viefhues ist Dramaturg der Produktion. Auf der Bühne stehen Tamer Tahan (Arda), Nika Mišković (Brünnhilde), Adi Hrustemović (Alberich), Sarah Quarshie (Erda), Antje Prust (Fricka), Alexander Darkow (Wotan) sowie Yotam Schlezinger, Isabelle Pabst und Maika Küster (Geschwister Dev) als Live-Musiker*innen und Regine Anacker, Heike Lorenz, Katrin Osbelt, Sylvia Reusse und Regina Schott vom Sprechchor Dortmund alternierend als die drei Nornen.

Die Deutsche Erstaufführung findet am 20. Januar um 19:30 Uhr im Schauspielhaus statt. Restkarten zu 12 bis 33 € sind an der Theaterkasse im Kundencenter (Platz der Alten Synagoge), unter 0231/50 27 222 und im Webshop >> erhältlich.

Folgevorstellungen finden am 21. Januar (18 Uhr) und 27. Januar (19.30 Uhr) statt sowie weitere Termine ab Februar.