V.l.n.r: Prof. Dr. Meron Mendel & Saba-Nur Cheema
Unmute
Der 7. Oktober 2023 war ein Wendepunkt – nicht nur durch das Massaker der Hamas, sondern auch wegen seiner politischen und gesellschaftlichen Nachwirkungen in Deutschland. Seitdem hat sich der Raum des Sagbaren spürbar verengt. Die Debatten sind rauer, Zugehörigkeiten enger gezogen, Solidarität wird selektiv vergeben.
Antisemitismus wird zunehmend instrumentalisiert – nicht vorrangig, um jüdisches Leben zu schützen, sondern um Migration zu delegitimieren, linke Kritik zu diskreditieren und Zugehörigkeit neu zu definieren. Jüdische Stimmen werden vereinnahmt oder zum Schweigen gebracht. Muslimische und palästinensische Perspektiven geraten unter Generalverdacht. Wer sich nicht eindeutig verorten lässt, verliert den Platz im Gespräch.
In diesem Klima wird selbst Trauer politisch funktionalisiert. Rechte Akteure zeigen sich demonstrativ jüdisch-solidarisch – und bedienen dabei rassistische Narrative. Der sogenannte „neue Antisemitismus“ wird als Legitimation für migrationsfeindliche Politik herangezogen, während der strukturelle Antisemitismus der weißen Mehrheitsgesellschaft unangetastet bleibt. Die genozidale Gewalt in Gaza – die tausenden zivilen Opfer, die humanitäre Katastrophe, die kollektive Traumatisierung – wird aus dem öffentlichen Diskurs weitgehend ausgeblendet. Wer sie anspricht, riskiert soziale und berufliche Ausgrenzung.
Unmute ist eine Gesprächsreihe über diese Verengungen. Sie fragt, wie wir – trotz Widersprüchen, Schmerz und Angst – weiter miteinander sprechen können. Wie entstehen Räume, in denen Differenz nicht sofort aufgelöst werden muss? Wo findet Trauer Platz, ohne politisch vereinnahmt zu werden? Wie lässt sich Kritik an Krieg, Besatzung und Rassismus äußern, ohne mundtot gemacht zu werden? Und wie kann jüdische Angst und Wut öffentlich werden, ohne instrumentalisiert zu werden
Ausgangspunkt ist der Sammelband Trotzdem sprechen (Ullstein, 2024), herausgegeben von Lena Gorelik, Mirjam Zadoff und Miryam Schellbach. Zum Zeitpunkt seines Erscheinens war das Buch ein wichtiger Impuls – doch die Debatte hat sich seither weiter zugespitzt. Genau deshalb ist diese Reihe notwendig.
Die Abende verstehen sich als kritische Zwischenbilanz, kollektive Reflexion und Einladung zur Unsicherheit. Sprechen ist kein Automatismus – aber es bleibt notwendig.
Gäst*innen am 24.10.25: Prof. Dr. Meron Mendel & Saba-Nur Cheema