Schauspiel • Ab November 2025

Antichristie

Ein antikolonial-zeitreisender Detektivroman nach dem Roman von Mithu Sanyal

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(c) Sofia Brandes & Max Slobodda

TV-Beitrag zu »Antichristie« bei WDR Westart ▶

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Antichristie

London 2022. Die Königin ist tot! An den Trauernden vorbei rennt Durga, eine internationale Drehbuchautorin, Tochter eines Inders und einer Deutschen – voller Appetit auf Rebellion und Halluzinationen. Sie soll an einer antirassistischen Verfilmung der Agatha-Christie-Krimis mitwirken. Detektiv Hercule Poirot, ein Schwarzer? Dagegen regt sich Widerstand: Vor dem Gebäude der Filmfirma wird gegen die vermeintliche Auslöschung der britischen Kultur demonstriert.

Völlig unerwartet rutscht Durga durch die Zeit und landet im Jahr 1906, doch nicht als sie selbst, sondern als Mann und Freiheitskämpfer Sanjeev. Im Londoner „Indian House“ trifft Sanjeev auf Revolutionäre, die, im Gegensatz zu Gandhi, gewaltsam gegen das britische Empire kämpfen.

Durga springt immer wieder zwischen den Zeiten hin und her und macht dabei sichtbar, was wir sonst nicht sehen: die unsichtbare Kolonialgeschichte in der Popkultur. Was wäre echter Widerstand in einer falschen Welt? Und was hat es mit einem rätselhaften Attentat auf sich, bei dessen Aufklärung nur der berühmte Detektiv Sherlock Holmes helfen kann?

Nach ihrem gefeierten Debüt Identitti nimmt uns Mithu Sanyal in ihrem zweiten Roman mit auf eine Reise durch die verborgene Geschichte des indischen Widerstands. Aberwitzig, klug und voller Wärme hinterfragt Antichristie die Wurzeln von Freiheitskampf und Terrorismus und entfaltet einen Krimiplot, der geschickt mit Popkultur-Zitaten und postkolonialer Reflexion spielt.

Regisseur Kieran Joel, der bereits Identitti am Schauspielhaus Düsseldorf zur Uraufführung brachte, arbeitet nach Das Kapital: Das Musical und Dantons Tod und Kants Beitrag zum dritten Mal am Schauspiel Dortmund. Seine Uraufführung der Theaterfassung von Antichristie spielt humorvoll mit den Konventionen des Kriminalromans und zeigt uns eine unbekannte Geschichte Europas, die unsere Überzeugungen über Gewalt und Widerstand auf den Kopf stellt.

Hinweise zu sensiblen Inhalten und sensorischen Reizen.

Termine

Dezember 2025 11 Donnerstag Schauspielhaus 19:30 Uhr – 22:30 Uhr (eine Pause)
Tagesbesetzung
Tagesaktuelle Besetzung am 11. Dezember 2025
(Änderungen vorbehalten)

Januar 2026 17 Samstag Schauspielhaus 19:30 Uhr – 22:30 Uhr (eine Pause) Einführung: 19:00 Uhr

Einführung: Agatha Christie revisited. Dialog zu postkolonialen Perspektiven auf Wissen, Herrschaft und emotionale Ambivalenz

Tagesaktuelle Besetzung am 17. Januar 2026
(Änderungen vorbehalten)

März 2026 11 Mittwoch Schauspielhaus 19:30 Uhr – 22:30 Uhr (eine Pause)
Tagesaktuelle Besetzung am 11. März 2026
(Änderungen vorbehalten)

Weitere Termine folgen.

Besetzung

Durga Chatterjee Maya Alban-Zapata
Sanjeev Chattopadhya Viet Anh Alexander Tran
Lila Chatterjee Katharina Dalichau
Godfrey Jeremy Stoddart-West, Kirtikar Elsner und andere Linda Elsner
Christian Fowler, Vinayak Damodar Savarkar und andere Luis Quintana
Shazia Bey, Madan Lal Dhingra und andere Puah Abdellaoui
Carwyn Fardd, William Hutt Curzon Wyllie und andere Roberto Romeo
Maryam Olando, Asaf Ali und andere Marlene Goksch

Regie Kieran Joel
Bühne Justus Saretz
Kostüme Tanja Maderner
Musik Lenny Mockridge
Video Leon Landsberg
Dramaturgie Sabrina Toyen
Theatervermittlung Sarah Jasinszczak
Sprechtraining Sybille Krobs-Rotter
Licht/ Video Stefan Gimbel, Markus Fuchs
Ton Jörn Michutta
Regieassistenz Marleen Seiter
Regieassistenz Mitarbeit Bayram Umur Yildirim
Bühnenbildassistenz Slynrya Kongyoo
Kostümassistenz Elayne Sip
lnspizienz Christoph Öhl
Soufflage Klara Brandi

Meinungen

Kritiken und Pressestimmen

Ruhr Nachrichten

„Die opulente Inszenierung dreht sich um die indische Unabhängigkeitsbewegung und die britische Kolonialgeschichte, ist ein Mix aus Krimi und Zeitreise, die die deutsch-indische Drehbuchautorin Durga unternimmt, um ihre Mutter besser zu verstehen.

Das achtköpfige, spielfreudige Ensemble bringt 17 Figuren auf die Bühne, und dort finden auch viele Umzüge statt. Tanja Maderner hat die Drehbuchschreiber in bunte Outfits gesteckt, die Protagonisten aus dem Jahr 1906 treten in Schwarz-Weiß auf. So lassen sich die Zeitebenen prima unterscheiden.“

30. November 2025
Nachtkritik

„Eine deutsch-indische Drehbuchautorin, die an einer Neuverfilmung von Agatha-Christie-Stoffen mitarbeitet, findet sich plötzlich im India House 1906 wieder. Das ist der Plot von Mithu Sanyals Roman ‚Antichristie‘. Den Kieran Joel sehr geschickt in Dortmund auf die Bühne bringt.

Überaus eifrig verstrickt die Autorin Sanyal Zeiten, Figuren, Orte und Erzählungen. Und die Regie? Kieran Joel reist energiegeladen mit, mehr noch, er spielt die Möglichkeiten des Theaters aus.

Die Regie destilliert geschickt Momente, in denen über höchst aktuelle Themen diskutiert wird: Kommen wir ohne Gewalt gegen Kolonialmächte oder kriegstreiber an? Was bedeutet Pazifismus in Zeiten des Krieges? 

Der Perspektivwechsel ist das große Angebot, das die Dortmunder Inszenierung macht. Perspektivwechsel durch Rollentausch und distanzierenden Humor, durch harte Cuts und rauschhaften Szenen – und vor allem durch Lust am Spiel.“

30. November 2025
Die Deutsche Bühne

„Ein Abend, der über Kolonialismus aufklärt, dabei bestens unterhält (…).

Der charismatische und belesene Savakar, gespielt von Luis Quintana, spricht viel über das Leid und die Ausbeutung Indiens durch die Briten.

Schauspielerin Puah Abdellaoui schafft hier als Madan einen der wenigen emotionalen Momente des Stücks, der nicht durch eine Pointe aufgebrochen wird. Sie lässt das Publikum an den Gewissensbissen und der Ausweglosigkeit Madans teilhaben. 

‚Antichristie‘ fühlt sich ein wenig an, wie ein Theaterstück auf Geschwindigkeit 2.0.

Die Texte sind schnell, gespickt mit Pointen, historischen Details und Eastereggs. Währenddessen sind viele Rollen doppelt besetzt, es gibt Musikeinlagen, einmal schwebt Katharina Dalichau als Durgas Mutter aus dem Jenseits von der Decke und zum Schluss tritt auch noch Sherlock Holmes auf, um den Fall von Curzon Wyllie zu lösen. Ein buntes Durcheinander also, das sehr viel auf einmal will. Wer sich aber darauf einlassen kann, erfährt einen Abend bester Unterhaltung.“

30. November 2025
Rheinische Post

„Flugs findet sich Durga, brillant gespielt von Maya Alban-Zapata, im Jahre 1906 und im Körper eines Mannes wieder – und zwar dem des indischen Freiheitskämpfers Sanjeev Chattopadhya respektive des Schauspielers Viet Anh Alexander Tran.

Savarkar wird – auch wenn er eine nationalistische Ideologie mit Betonung auf hindunationalem Suprematismus begründet hat – historisch durchaus als ambivalenter Charakter gekennzeichnet, der auch wichtige Sozialreformen befürwortet und durchgesetzt hat. Luis Quintana spielt die Figur in Dortmund in all dem Tohuwabohu ruhig und besonnen und daher durchaus nicht unsympathisch, folgt seiner Ideologie aber mit großer Entschlossenheit. Mit seiner runden Brille und seiner hellen Erscheinung gleicht Quintana seinem historischen Vorbild sogar optisch.

Joel inszeniert in einem Höllentempo; nur Alban-Zapata und Quintana bringen gelegentlich ein wenig Ruhe und Gelassenheit in die Inszenierung.

Joel ist die krasse Überforderung des Publikums bewusst.
Kieran Joel begründet die krasse Überforderung des Publikums intellektuell. Das Publikum kann sie als Spektakel genießen: Drei Stunden lang kommt keine Langeweile auf. Die dreigeteilte Bühne (in der Mitte Writers‘ Room oder India House, rechts und links kommentierende oder illustrierende Film- und Fotoaufnahmen), großartige Popmusik, im laufenden Spiel erfolgende Kostümwechsel (schrillbunt für die Gegenwart, schwarzweiß dominiert für die Vergangenheit) bieten ständig Futter für alle Sinne, und es macht Spaß, die vielen Rätsel zu entschlüsseln, vor die uns Text und Inszenierung stellen.“

01. Dezember 2025
Westfälischer Anzeiger

„Große Schauwerte, enormer Drive.

Ein Vorhang macht alle Darsteller zu Silhouetten. In der Mitte stehen Maya Alban-Zapata und Viet Anh Alexander Tran breitbeinig hintereinander, sodass sie einen Schatten werfen. (…) Und dazu spricht das Ensemble die grotesk-komische Szene, in der die Autorin Durga bemerkt, dass sie auf ihrer Zeitreise das Geschlecht gewechselt hat, nun als Mann im Jahr 1906 gelandet ist und einen – Penis – hat. Bei dem Wort setzen alle als Chor ein. Einmal, zweimal, oft. Damit man das auch ja nicht überhört. Da wird das magische Erzählen von Mithu Sanyal in ein verführerisches Bild übersetzt. Ein starker Moment in der Uraufführung der Bühnenversion des Romans ‚Antichristie‘.

Regisseur Kieran Joel hat gekürzt, aber die Brüche und Blickwechsel bewahrt. Seine Inszenierung entfaltet große Schauwerte und hat einen enormen Drive. Das Bühnenbild von Justus Saretz mit mobilen Hauselementen erlaubt schnelle Umbauten. Die Videobeiträge von Leon Landsberg fangen mit grandiosen Effekten die fantastischen Handlungsmomente ein. So werden die Gesichter der Darsteller auf die sich drehenden Kästen projiziert, wodurch sie sich wie in einem Effektspiegel verzerren. So sieht (vielleicht) ein Zeitreisesturz aus. Rollen- und Kostümwechsel werden auf offener Bühne vollzogen.

Marlene Goksch hat einen furiosen Monolog als ‚politischer Gegner‘ in einem weiten knallroten Reifkleid, das sie in eine Sprechboje verwandelt, und sie eskaliert in einen wütenden Jammer, dass ihr der altbekannte Poirot genommen wird (man darf da gern den rassistischen Namen für ein Paprikaschnitzel einsetzen).

Luis Quintana als Savarkar ist ein hinreißender Polit-Agitator, undurchsichtig, manipulativ, ambivalent, der mit Küssen zum Morden überredet.

Die Kostüme (Tanja Maderner) sind gelungen. Bei den angeklebten Zierlocken, Melonenhüten und Anzügen mit Schulterpolstern wähnt man sich in einem Parallelkosmos, der die Dreigroschenoper mit alten Poirot-Filmen fusioniert.

Und dann rauschen immer wieder Bilder durch, historische Schwarz-Weiß-Aufnahmen mit laufenden Polizisten, Szenen von der Beerdigung der Queen, Clips aus Kinofilmen. Hübsch sind die Simulationen von verkratzten, stockenden Stummfilmen. Und ein großer Spaß (nur leider zu lang) ist der Video- Auftritt der fliegenden Katzen vor der Pause, bei dem die Darsteller über Identität sprechen und darüber, ob es korrekt ist, wenn Nicht-Inder Inder spielen, oder ob man da schon kulturelle Aneignung begeht.

Das mehr als dreistündige Spektakel überspielt das Mutwillige, Disparate und Sprunghafte der Romanvorlage. Die starke Leistung des Dortmunder Schauspiels bekam ausdauernden Beifall.“

02. Dezember 2025
taz

„Auch mit ‚Antichristie‘ beweist Joel, dass er Haltung und Entertainment verbinden will, versinnbildlicht am Gastauftritt des ‚politischen Gegners‘: Im XXL-Ballonkleid stockend vor Wut über die Repräsentation marginalisierter Identitäten sackt diese Figur ein. Als stecke dahinter nur Luft.

Scharfe Reißzähne ragen aus dem Maul dieses Königstigers, der überdimensional auf der Bühne thront, verziert mit glitzernden Lianenvorhängen. Wohl für den Glamourfaktor dieses Showgenres: It’s Quiztime. Und so treten die Beteiligten aus dem Raubtierrachen heraus und versammeln sich um einen Buzzer zu einer postkolonialen Neuinszenierung eines TV-Formats, in dem das Wissen über die Geschichte fragmentarisch und eurozentrisch durchgespielt werde.“

04. Dezember 2025