Vatermal
- Im Rahmen des RuhrBühnen*Spezial am 30.03. wird Necati Öziri, Autor des Stücks, persönlich anwesend sein. Er eröffnet den Abend mit einer Einführung um 17:00 Uhr, bevor die Vorstellung um 18:00 Uhr beginnt. Im Anschluss sind Sie herzlich eingeladen, den Abend gemeinsam mit Necati Öziri sowie der Intendantin und Regisseurin des Stücks, Julia Wissert, bei offenen Gesprächen und einem Getränk ausklingen zu lassen. Karten für diese Vorstellung sind zum Vorzugspreis von 10 € auf allen Plätzen in unserem Webshop ▶ erhältlich.
Arda liegt mit Leberversagen auf der Intensivstation. Die Zeit rinnt ihm davon, und wie Wasser suchen sich Erinnerungen und Geschichten ihren Weg.
Aus dem Krankenhaus heraus schreibt er einen Brief an seinen Vater Metin, den er nie kennengelernt hat, dessen Abwesenheit sein Leben jedoch geprägt hat.
Was wäre gewesen, wenn Metin nicht verschwunden wäre? Warum hatte er Deutschland verlassen, obwohl er wusste, dass ihn als politischen Flüchtling in der Türkei eine Gefängnisstrafe erwartete?
„Erzählen ist wie Wasser, Metin. Einmal unterwegs, findet es seinen Weg von selbst.“
Während Arda auf die Ergebnisse der Blutuntersuchungen wartet, erinnert er sich: an endlose Stunden in Warteschlangen auf dem Ausländeramt und bei Ärzt*innen, an die Schulbücher von der Sozialkasse, an die gestohlene Zeit, die er mit seiner Mutter Ümran und seiner Schwester Aylin verbrachte. Zwei Frauen, die ein gemeinsames Schicksal teilen und dennoch seit zehn Jahren kein Wort mehr miteinander gesprochen haben.
Arda macht die Schmerzprobe. Sein Gedächtnis ist eine Wunde, die er nicht heilen kann – nur aufstechen, um zu prüfen, ob es bereits abgestorben ist (Christa Wolf, Kassandra).
Die Erinnerungen kommen in Wellen – unkontrollierbar, unerbittlich: Ümran, deren Kindheit nach einem schweren Erdbeben in der Türkei endete; ihr Kampf als alleinerziehende Mutter am Rande des Ruhrgebiets. Aylin, die für immer ging. Und Metin, der nur ein Schatten blieb. Vielleicht stirbt der Schmerz, ehe wir sterben. Vielleicht aber auch nicht.
Vatermal ist eine Geschichte über Sehnsucht und Verlust, über das Ringen mit der eigenen Herkunft und Identität. Ein vielstimmiges, intensives Echo aus Sehnsucht, Armut und Patriarchat – in einer Gesellschaft, die wenig Raum für Empathie lässt.
Hinweise zu sensiblen Inhalten und sensorischen Reizen.
„Eine gute Idee ist auch, den Chor des Migrantinnenvereins Dortmund ins Stück einzubinden. Er sorgt für tolle Momente mehrstimmigen Gesangs, transportiert verschiedene Facetten des Lebens im Exil – zwischen Melancholie und kämpferischer Solidarität.
Ein tolles Zentrum gibt Mouataz Alshaltouh als Arda ab. Er, der eigentlich leiden müsste, weil er im wahrsten Sinne des Wortes sterbenskrank ist und einen Brief an seinen Vater schreibt, den politischen Flüchtling, der in die Türkei zurückgegangen ist, bevor er ihn kennenlernen konnte, reagiert auf seine widrigen Umstände mit feinem Humor und Melancholie. Er ist ein Ruhepol (…).
Besonders stark ist er (Mouataz Alshaltouh) im Doppelpack mit Fabienne-Deniz Hammer, die seine Schwester Aylin spielt. Sie sind die Generation nach dem Trauma, das durch Armut oder politische Verfolgung erzwungene Migration ausgelöst haben. Sie machen sich keine Illusionen, aber ergeben sich auch nicht der Verzweiflung. "Mein Name ist Arda Kaya und es geht mir gut."
„(…) dass Dortmunds Schauspiel-Intendantin diesen Roman mit einer unter Jubel und stehenden Ovationen gefeierten Premiere auf die Bretter gebracht hatte.
Die Bühnenfassung, die Regisseurin Julia Wissert gemeinsam mit Jasco Viefhues eingerichtet hat, beginnt und endet wie der Roman und rafft ihn auf knapp 110 pausenlose Minuten zusammen. Und pickt Wende- und andere entscheidende Punkte aus dem Text, so dass eine schlüssige, erschreckend nachvollziehbare Geschichte auf der Bühne entsteht.
Mouataz Alshaltouh ist ein hin und her geworfener, immer weniger zerrissener Arda, und wenn er schließlich seinem Vater dafür dankt, dass er unter Frauen aufwachsen durfte.“
„Das Stück ‚Vatermal‘ am Schauspiel Dortmund ist ergreifend.
‚Vatermal‘ als Theaterstück, dramatisiert von der Dortmunder Schauspielintendantin Julia Wissert (auch Regie) und Jasco Viefhues, bietet ebenfalls Hardcore mit Humor. Die Familiengeschichte ist harte Kost, jedoch großartig erzählt in einer vielfältigen Sprache und mit Sätzen, die man in Stein meißeln könnte.
Regisseurin Wissert stellt die Identifikationsfigur Arda im wahrsten Sinn des Wortes ins Zentrum der Inszenierung. Schauspieler Mouataz Alshaltouh liefert hier eine unglaublich reife Leistung ab. Den Körper ganz offen zum Publikum gewendet, blickt er mit reicher Mimik und Gestik auf seinen Leidensweg zurück – ein ruhiger, kluger und abgeklärter Hiob, der durch eine Art riesiges Fenster in seine Vergangenheit springen kann.
Fabienne-Deniz Hammer spielt Aylin sehr temperamentvoll als Girlie mit Format in einem schicken Trainingsanzug (Kostüme Nicola Gördes). Lucia Peraza Rios lässt als verzweifelte Mutter ihre schönen Hände sprechen. Der glockenklare Chor der Migrantinnen hebt das Geschehen auf tragisches Niveau.
100 Prozent Weiterempfehlung für diesen bewegenden, herzergreifenden und amüsanten Abend (…).“